Der Mensch ist letztendlich ein grundvernünftiges Wesen, indem er nach dem Prinzip lebt: „Wenn es nicht kaputt ist, repariere es nicht.“ Damit ersparen wir uns Stress und können unser Leben genießen. Doch manchmal zwingt uns das Leben zu Veränderungen, indem es uns mit Ereignissen konfrontiert, die unsere bisher erworbenen Bewältigungsmöglichkeiten übersteigen. Das kann ein Jobverlust oder eine Beförderung sein, eine Krankheit, ein Verlust, eine Trennung, ein Wohnortwechsel etc.
Mit solchen Ereignissen konfrontiert erleben wir zumeist massive negative Gefühle von Selbstzweifel, Hilflosigkeit, Trauer und Wut.
Auch die Funktionsweise des Körpers verändert sich durch den Stress: Schlafprobleme, Veränderungen beim Appetit, Schwindel, Verdauungsprobleme, sexuelle Probleme und viele weitere Symptome können auftreten.
Das Denken ist ebenfalls betroffen – in Zeiten erhöhter Anspannung leidet die Aufmerksamkeit und das Gedächtnis, auch erinnern wir uns verstärkt und sehr lebendig an negative Erlebnisse während das Positive fern und unwirklich erscheint. Häufig gerät man ins Probleme wälzen hinein – immer und immer wieder werden dieselben Themen wiedergekäut ohne dass man damit der Lösung einen Schritt näher kommt. Damit wird das Denken unflexibel und problemfixiert, neue Möglichkeiten werden übergangen und längst überwunden geglaubte Muster aus der Vergangenheit tauchen wieder auf.
Verhaltensmäßig reagieren wir meist, indem wir (unbewusst) Strategien wählen, die uns kurzfristig entlasten, langfristig unser schwarzes Loch aber noch tiefer graben: Freizeitaktivitäten werden reduziert oder eingestellt, Freunde vernachlässigt, Trost und Vergessen werden im Exzess gesucht, ob es nun Essen, Alkohol, Drogen, Partner oder Videospiele betrifft. Ausgeprägtes Klagen kann unter den Mitmenschen zu Unterstützung führen, über kurz oder lang wird der eine oder andere allerdings das Weite suchen, was noch mehr bei Wutanfällen zutrifft. Das eigene Aussehen und die Qualität der Umwelt wird als weniger wichtig befunden, Verantwortungen und Entscheidungen werden aufgeschoben oder jemand sucht sein Heil in pausenloser Arbeit. Dergleichen mehr gibt es unzählige Verhaltensmuster, auf die wir in Zeiten der Krise zurückgreifen, damit es uns ein wenig besser geht. Meistens erschweren sie es uns jedoch deutlich, wieder unsere Mitte zu finden und uns unser Leben Stück für Stück wiederaufzubauen.
Die gute Nachricht ist: Die meisten von Ihnen werden eine Krise ohne Unterstützung durch Experten bewältigen. Es gibt jedoch zwei Gründe, die zumindest einen abklärenden Besuch eines Experten empfehlenswert machen. So ist eine Krise zwar immer eine Chance, sie birgt aber auch stets Gefahren: Körperliche und psychische Folgeerkrankungen, Suchtentwicklung, sozialer Abstieg, Verlust des sozialen Netzwerkes und mehr; all das sind mögliche Folgen. Hier ist Prävention ein wichtiger Gedanke, durch die man sich potentiell hohe persönliche, soziale und finanzielle Kosten ersparen kann. Und auch obwohl man es selbst schaffen kann, heißt das nicht, dass man es sich nicht auch durch das Einholen von Unterstützung leichter machen darf. Eine Krise ist niemals angenehm – wenn man die Möglichkeit hat, sie abzukürzen oder erträglicher zu machen, dann ist es auch legitim und empfehlenswert, diese zu nützen. Die klinische Psychologie hat ein ganzes Spektrum an Methoden anzubieten, die Menschen bei der Bewältigung einer Krise hilfreich sein können.