Psychische Störungen sind zwar in der Gesellschaft leider häufig noch tabuisiert, immerhin werden sie jedoch bereits in Gesprächen oder in den Medien häufig zum Thema. Dabei bleibt der Begriff jedoch häufig unscharf, sodass sich die Frage stellt, was eigentlich eine psychische Störung ausmacht? Dabei gibt es in der Fachwelt eine Übereinstimmung auf das Vorliegen von zumindest einem der drei folgenden Punkte:
- Leidensdruck: Die Beeinträchtigung belastet die Betroffenen deutlich und über einen längeren Zeitraum.
- Rolleneinschränkung: Durch die Beeinträchtigung fällt es den Betroffenen schwer, den Anforderungen in wichtigen Lebensbereichen wie z. B. Beruf, Familie oder Partnerschaft zu entsprechen.
- Selbst- oder Fremdgefährdung: Durch die Beeinträchtigung besteht eine unmittelbare Gefährdung für die eigene Gesundheit (z. B. Suizid) oder für andere (z. B. Aggression).
Wichtig ist zu betonen, dass psychische Störungen ebenso wie körperliche Erkrankungen etwas normales sind und häufig und in unterschiedlichen Schweregraden vorkommen. So erkranken mehr als 40 % der Bevölkerung im Laufe ihres Lebens an zumindest einer psychischen Störung. Vielen gelingt es, diese Belastung aus eigener Kraft zu überwinden. Gleichzeitig ist es aber auch eine traurige Realität, dass zu viele Menschen, die davon profitieren könnten, erst sehr spät oder nie eine ausreichende fachliche Unterstützung erhalten.
Meist suchen die Betroffenen nach einer Erklärung, warum gerade sie sich in dieser schwierigen Situation befinden. Eine einfache Erklärung ist jedoch meistens nicht möglich oder sinnvoll, da psychische Störungen wissenschaftlich gesehen durch ein Aufeinandertreffen von Belastungen mit einem bei jedem Mensch (durch Genetik und Lebenserfahrung) unterschiedlichen Muster an Schutz- und Risikofaktoren zustandekommen. Diese Belastungen können sowohl die körperliche, psychische und soziale Ebene betreffen.
Der erste Schritt in der klinisch-psychologischen Behandlung ist es daher, gemeinsam ein möglichst präzises Modell der Entstehung und Aufrechterhaltung der psychischen Störung zu entwickeln, um davon ausgehend gezielt ihre Ursachen beheben zu können. Dazu werden systematisch Belastungen und Risikofaktoren reduziert und die eigenen Schutzfaktoren aktiviert und aufgebaut.